Die farbstrahlenden Bildabstraktionen von Grit
Schumacher gehören zum anerkannten Fundus
der regionalen Kunst. Aber die Künstlerin Grit
Schumacher ist vielseitiger als manchen bekannt:
Ihr Hauptschaffen gilt der Malerei, doch
richtet sich ihr Farbforminteresse auf die
Phänomene der Welt als Ganzes.
Grit Schumacher ist seit Jahren fotografisch
tätig und liebt es, mit konkreten Dingen zu
arbeiten. So entstanden nicht nur Collagen – oft
in Kombination mit Malerei - , sondern auch
Papierobjekte und Reliefs und im Weiteren aus
sehr unterschiedlichen Materialien auch höchst
individuelle Schmuckobjekte. Hier stößt das elementare
Interesse an Gestaltung auf die
Vorliebe für den herausfordernden Reiz armer
Materialien und für ungewöhnliche, erfinderische
Kombinationen. Das alles hat seinen
Nährboden in der Experimentierlust der Künstlerin,
die auch für die stete Entwicklung ihrer
Malerei die Grundvoraussetzung war und ist.
Ausgehend von der das ganze Werk fundierenden
Malerei, gibt die jetzt aktuelle Ausstellung
die Möglichkeit einer Übersicht – im konkret
anschauenden Sinne wie im deskriptiven und
wertenden Sinne eines Katalogbeitrags.
Grit Schumacher zeigt ihre neuesten Arbeiten
„Farbräume“, die - wie fast alle Werke - als Serie
von bildnerischen Anordnungen entstanden sind.
Damit ist eine wichtige Feststellung getroffen:
Die Künstlerin arbeitet mit dem Konzept der
Serie, das zu den Marksteinen der Moderne
gehört. Zudem gesellt sie sich zu den Kunstschaffenden,
die das Malen unabhängig vom
inhaltlichen Ausgangspunkt als Resultat eines
Werkprozesses sehen, in dem die Methoden des
Malens, die bildnerischen Mittel und die
Wirkung der Farbsetzungen als solche im
Mittelpunkt des künstlerischen Interesses stehen.
Das ist sozusagen das Konzept des untersuchenden
und prozessualen Malens von
Malerei. Innerhalb der jeweils festgelegten
Vorgaben eines seriellen Ansatzes bleibt der
Arbeitsprozess selbst offen für das Erproben und
Variieren einzelner Malvorgänge.
So sind über Jahre verschiedene Werkgruppen
entstanden, die einerseits klar unterscheidbar
sind, andererseits sich wie an einem roten Faden
zu einem Gesamtwerk zusammenfügen, das
eindeutig erkennbar von der Hand der
Künstlerin Grit Schumacher stammt.
Grit Schumacher setzt in ihrem Werk mit farbiger
Gegenständlichkeit und linearer Farbzeichnung
ein und erobert sich die malerischen
Bildmittel kontinuierlich über viele Jahre. Die
Fotografie kommt hinzu und speist sich aus
dem allgemeinen Interesse an Farb- und Formmaterial,
am Festhalten alltäglicher Gegenständlichkeit.
Das Arbeiten mit der Collage wird
zur Erprobung eines Gestaltungsmittels der
Formbegrenzung und Formfindung, aus dem
Erfahrungen unmittelbar und im methodischen
Sinne in die Malerei übertragen werden.
Innerhalb des eigenen wachsenden Werks
fordert das vergleichende Sehen neue Analogien
der Gestaltung heraus – die Fotografie eignet sich nun die Sichtweisen der Malerei an, vor
allem als Wahrnehmungsinstrument auf Reisen
in Bezug auf Landschaften, und wird zum
Reservoir neuer Formfindungen und Farb-stimmungen.
Die Annäherungen und Unterschiede
werden bewusst eingesetzt – mit fotografischen
Mitteln wird der Alltag aufgenommen, das
Besondere bleibt die Malerei, die als Medium der
Umsetzung in eine Metaebene empfunden wird.
Im Überblick über den Werkprozess bis zur
aktuellen Malerei möchte ich eine Entwicklung
zu Transparenz bei gleichzeitig gesteigerter
Farbintensität darstellen: Sind in den
„Horizonten“ von 2000 die Bildordnungen als
graphische Abstraktion mit Hilfe von Collage
und Malerei auf Holz entstanden, so dass trotz
der Titelgebung das Geschichtete in der Kompaktheit
des Materiellen dominiert, so werden
die „Horizontalen Varianten“ der Jahre 2002 bis
2005 zwar mit einer ähnlichen Technik konzipiert,
im Einzelnen aber durch eine kleinteiligere
Komposition im horizontalen Gefüge weniger
materialbetont. In einem nächsten Schritt
entwickelt die Künstlerin die Grundlage für eine
Gitterstruktur, die bereits raumvermittelnde
Farbtransparenzen erzielt: Der aus Papierstreifen
in vertikaler Reihung gebaute Untergrund
wird mit dünnflüssigen Farblasuren horizontal
überzogen, so dass aus diesem sich überlagerndem
Farbformengeflecht der Eindruck
von Farbräumlichkeit entstehen kann.
Mit der Einführung der Diagonalen 2003 in das
strenge Gefüge von horizontal und vertikal wird
nochmals ein Element zur Verräumlichung der
Bildebenen gewonnen. Durch diese Erweiterung
der Bildordnung eröffnen sich neue Bildspannungen
und Farborchestrierungen, meist mit
der absichtlichen Suche nach widerständigen,
nicht gängigen Farbnachbarschaften. Das feste
Raster der Farbschichten lockert sich mitunter
bis zu einer fast freien, offenen Malerei, die dünnen
Lasuren reißen auf, die Farbsetzungen
wirken dynamisch. Das Festhalten am
Trägermaterial Holz mit Papieruntergrund und
die Einbe-ziehung der seitlichen
Bildrahmenflächen in die Malerei betont den
Objektcharakter der Arbeiten und somit die
plastische Kompaktheit der Werkgruppe. Das
gemalte Farbgeflecht ist an einen Malereikörper
gebunden.
Die neue Werkgruppe der „Farbräume“ 2008
zeigt ein gewandeltes Erscheinungsbild: Die
Schaffung eigener Farbräumlichkeit entsteht
nun aus reiner Malerei, aus der Kraft der Farbe
und ihrer gesteuerten Setzung auf dem klassischen
Bildträger Leinwand. Das malerische
Farbgeflecht wird zu einem räumlich empfundenen
Farbgewebe, dessen Tiefe und
Transparenz von den jeweiligen Überlagerungen
der Farblasuren abhängt. Wo die Farbschleier
aufreißen, eröffnen sich Einblicke in tiefere
Farbebenen, die der Illusion der Farbräumlichkeit
ihre eigene Kraft verleihen. Das Ziel reiner
Farbmalerei ist mit der Werkgruppe der
„Farbräume“ erreicht. Da sich Grit Schumachers
künstlerisches Arbeiten immer als konsequentes
Experimentieren darstellt, wird sich auch von
hier aus eine weitere Entwicklung ergeben. Die
Künstlerin neigt zur Auffassung Werner
Haftmanns, nach dem „das moderne Bild (...) ein
ganz umfassendes Abenteuer in ein gänzlich
Unbekanntes hinein“ ist. Die spezifischen
Farbwirkungen und die intensive Leuchtkraft
der Malerei wie überhaupt ihre künstlerische
Arbeit werden aus Grit Schumachers Liebe zur
Farbe, aus der Faszination des Materials und aus
dem Offensein zum Finden neuer Ideen und
deren Umsetzung lebendige Erweiterungen
erfahren.
Susanne Meier-Faust M.A. © 2008