Projekt Asturien 2003
Im September 2003 machte sich eine Gruppe von 5 deutschen und schweizerischen Künstler/innen
auf den 1600 km langen Weg nach Nordspanien, um in Asturien ihr 2. TeamArt-Projekt zu
verwirklichen.
Auf den ersten Blick könnte man bei den Projekten den Eindruck haben, es handle sich um
Land-art, wie sie seit Jahrzehnten bekannt ist.
Die Auseinandersetzung mit einem Ort ist sicher ein wichtiger Ausgangspunkt für die
bildnerische Absicht der Gruppe. Die Künstler beschreiben ihr Vorhaben und ihre Ziele
jedoch wie folgt:
- Am Anfang steht die Suche nach einem Ort, der in seiner naturgegebenen Vollkommenheit
das Individuum unwichtig erscheinen lässt.
- Die Rahmenbedingungen (Weg, Wohnen, Gemeinsamkeit) werden so gewählt, dass ein
Gruppengefühl entstehen kann.
- Erst dann ist es möglich, ein Konzept zu entwickeln, das aus der Diskussion hervorgeht
und einen Verzicht der Individualität der einzelnen Teilnehmer voraussetzt.
- Der Umfang der Teamarbeit soll die Möglichkeiten eines einzelnen
Künstlers übersteigen. Die Arbeiten können nur durch Potenzierung
der Arbeitskraft aller Beteiligten vollendet werden.
- Es werden keine ortsfremden Materialien in die Landschaft eingebracht.
- Die Gruppe versucht, die Bedingungen zu definieren, die für ein derartiges Vorhaben
notwendig sind.
Der Ort der vorliegenden Arbeit ist eine Bucht in der Nähe von Llanes in Asturien. Llanes ist
nicht nur eine reizvolle Hafenstadt, umgeben von wundervollen klippenumsäumten Sandstränden,
sondern liegt zudem vor der Kulisse der 2600 m hohen Picos de Europa, die steil aus der
schmalen Küstenebene aufsteigen.
Die ausgesuchte Stelle weist Besonderheiten auf, die für die Arbeit wichtig waren. Der
Tidenhub in der Biscaya ist gewaltig. Während bei Flut das Meer an dieser Stelle an den
Klippen hochschlägt, bleibt bei Ebbe ein bis zu 50 m tiefer und über 200 m breiter heller
Sandstrand vor den Klippen frei. Dieser Strand ist vollkommen glatt und trittfest, also eine
ideale "Leinwand" für Sandzeichnungen riesiger Dimension.
Dazu gibt es gerade hier einen Felsabstieg, der den Klippenrand mit dem Sandboden verbindet.
Es war notwenig, das Projekt in den Rhythmus von Ebbe und Flut einzubinden und die Arbeit in
einem Zeitfenster von 2-3 Stunden fertig zu stellen. Das zurückkommende Wasser überflutete dann
langsam die Arbeit, bis nichts mehr davon zu sehen war. Die folgende Flut hinterließ einen
"neuen" glatten Strand.
Das gesamte Projekt wurde von dem Filmemacher Norbert Ebner begleitet und in einem Film
festgehalten.
Die ersten beiden Tage dienten der Erfahrung, im Sand und in riesiger Dimension zu zeichnen.
Die 5 Künstler arbeiteten parallel, einer neben dem anderen, jeder nach seiner Vorstellung.
Jeder hatte sich sein Handwerkszeug mitgebracht.
Das Ergebnis waren 5 individuelle Handschriften im Sand und ein großes Glücksgefühl, die
Dimension in den Griff bekommen zu haben.
Am dritten Tag versuchte die Gruppe erstmals, im Team zu arbeiten. Dieser erste Versuch einer
gemeinsamen Arbeit ergab zwar ein optisch ansprechendes Ergebnis, erzeugte aber keinerlei
Gefühl der Teamarbeit.
In einem vorgegebenen Band sollten alle Beteiligten zunächst individuell handeln, die
Treffpunkte sollten dann miteinander verknüpft werden.
Der Versuch misslang.
Der Fehlschlag führte zu heftigen Diskussionen bis spät in die Nacht. Am Ende entwickelte
sich daraus die Idee einer Gemeinschaftsarbeit, die, wie sich zeigen sollte, den Vorgaben
der Künstler entsprach.
Am folgenden Tag wurde der gesamte Strand exakt vermessen und mit einem Raster überzogen,
dessen Punktabstand 4 m betrug.
Technische Hilfsmittel waren dabei lediglich Schnur, Meterstab
und 3 Peilstäbe.
An jedem Schnittpunkt der gedachten Linien wurde mit einer einzigen Schaufel eine
Schaufelfüllung Sand ausgehoben und direkt vor das Aushubloch gelegt.
Der Strand wurde dadurch mit einem mathematischen Muster überzogen, das unaufdringlich war,
aber in seiner Exaktheit einen unübersehbaren Gegensatz zu den chaotischen, gewaltigen
Strukturen der Landschaft bildete.
In der von den Gezeiten vorgegebenen Zeit konnte die Arbeit nur von einem Team fertig gestellt
werden, das gemeinsam eine Idee verfolgt.
Dies gilt um so mehr, wenn es sich wie hier um eine "sinnlose" Arbeit handelt, die 2 Stunden
später von den Wellen völlig beseitigt ist.Die teilnehmenden Künstler/Innen waren sich einig, eine andere Art der künstlerischen Arbeit
kennengelernt zu haben, die in einem angenehmen Gegensatz steht zu den signaturbezogenen
Projekten, die heute den künstlerischen Alltag bestimmen.
* Sepp Briechle, Wolfgang Mussgnug,
Ulla Rohr, Bernd. R. Salfner
(Projektidee und Text: Bernd R. Salfner; Fotos: Grit Schumacher)